Astronomie

Erster Doppelstern am Schwarzen Loch entdeckt

Astronomen identifizieren erstmals ein junges Sternenpaar im Umfeld von Sagittarius A*

Doppelstern D9 am Milchstraßenzentrum
Astronomen haben erstmals ein Doppelsternsystem (D9) nahe am zentralen Schwarzen Loch der Milchstraße (Sag A*) entdeckt. © ESO/F. Peißker et al., S. Guisard

Stellare Premiere: Astronomen haben erstmals ein Doppelsternsystem am zentralen Schwarzen Loch der Milchstraße entdeckt. Das junge, sich eng umkreisende Sternenpaar hält trotz der extremen Gezeitenkräfte zusammen – das galt bisher als nahezu unmöglich. Allerdings wird das D9 getaufte Sternenpaar nicht lange überdauern: Schon in rund einer Million Jahre werden die beiden Jungsterne miteinander verschmelzen, wie das Team berichtet. Dies liefert wertvolle Hinweise auch auf andere noch rätselhafte Objekte nahe Sagittarius A*.

Das Zentrum unserer Milchstraße ist ein extremer und hoch dynamischer Ort: Durch die enorme Gravitation des zentralen Schwarzen Lochs Sagittarius A* rasen die Sterne im zentralen S-Cluster mit Rekordtempo um das Schwarze Loch. Auch ihre Bahnen und ihr Licht sind durch relativistische Effekte verändert. Lange galt es als nahezu unmöglich, das unter diesen Extrembedingungen neue Sterne entstehen – ihre Ursprungswolken müssten auseinandergerissen werden, bevor sie zu Protosternen kollabieren können.

Milchstraßenzentrum
Blick auf das extrem dichte innerste Zentrum der Milchstraße, wo auch das zentrale Schwarze Loch verborgen liegt. Der Ausschnitt zeigt seine Lage anhand eines kleinen Röntgenausbruchs am Ereignishorizont. © NASA/CXC, Stanford/I. Zhuravleva et al.

Doch 2023 entdeckten Astronomen um Florian Peißker von der Universität zu Köln gleich mehrere Protosterne in unmittelbar Nähe zu Sagittarius A*. Wie diese Jungsterne trotz der enormen Gravitation so nah am Schwarzen Loch entstehen konnten, ist noch ungeklärt.

Ein Sternenpaar am Schwarzen Loch

Jetzt haben Peißker und sein Team die nächste überraschende Entdeckung gemacht: einen jungen Doppelstern am Schwarzen Loch. Für ihre Studie hatten die Astronomen Objekte im S-Cluster nahe Sagittarius A* mit zwei hochauflösenden Spektrografen am Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte in Chile beobachtet. Dabei stießen sie auf einen Stern, D9 getauft, der sich auffällig verhielt: Die spektrografischen Daten zeigten wiederkehrende Schwankungen in der Geschwindigkeit des Sterns.

„Ich dachte erst, meinen Analysen seien falsch“, sagt Peißker. „Aber das spektroskopische Muster war über etwa 15 Jahre hinweg nachweisbar.“ Nähere Analysen ergaben, dass es sich bei D9 nicht um einen, sondern um zwei einander umkreisende Sterne handelt. Das Sternenpaar besteht demnach aus einem massereicheren, rund 2,8 Sonnenmassen schweren Stern und einem kleineren Partner von nur rund 0,73 Sonnenmassen.

Von der Erde aus gesehen blicken wir fast direkt seitlich auf dieses Sternenpaar, was die Schwankungen im Lichtspektrum erklärt. „Damit war klar, dass es sich bei dieser Entdeckung tatsächlich um den ersten im S-Cluster beobachteten Doppelstern handelt“, berichtet Peißker.

Der erste Doppelstern am Schwarzen Loch.© ESO

Sterne sind noch im Werden

Damit haben die Astronomen erstmals ein Sternpaar in der Nähe eines supermassereichen Schwarzen Lochs nachgewiesen. Das belegt, dass sich selbst in der extremen Umgebung dieser Schwerkraftgiganten nicht nur neue Sterne, sondern sogar Doppelsternsysteme bilden können. Beide Sternenpartner von D9 sind allerdings noch sehr jung: „Das D9-System weist deutliche Anzeichen für die Anwesenheit von Gas und Staub um die Sterne herum auf“, erklärt Peißkers Kollege Michal Zajaček. „Dies deutet darauf hin, dass es sich um ein sehr junges Sternsystem handeln könnte.“

Das Team schätzt das Alter des Sternenpaares auf rund 2,7 Millionen Jahre. Sie vermuten in dem schwereren Stern einen Herbig-Ae/Be-Stern – einen Protostern, der noch nicht dicht und schwer genug für die Zündung der Wasserstoff-Kernfusion ist. Diese noch von dichtem Staub und Gasen verhüllten Jungsterne beziehen ihre Energie primär aus dem Einfallen großer Mengen von Materie. Den kleineren Jungstern klassifizieren die Astronomen als T-Tauri-Stern, einer masseärmeren Vorstufe der Herbig-Ae/Be-Sterne.

Verschmelzung schon in einer Million Jahren

Doch die Tage dieses jungen Sternenpaares sind gezählt. Noch umkreisen sich die beiden Protosterne im Abstand von rund 1,43 astronomischen Einheiten – das entspricht etwa dem Eineinhalbfachen der Entfernung Sonne-Erde. Dieser für zwei Sterne sehr geringe Abstand bewahrt sie davor, von den Gezeitenkräften des nahen Schwarzen Lochs auseinander gerissen zu werden. Aber die enormen Gezeitenkräfte von Sagittarius A* zerren an den Umlaufbahnen der beiden Sterne, deformieren sie und bringen sie einander näher.

Das hat Folgen: In nur rund einer Million Jahre könnten die beiden Jungsterne dadurch miteinander verschmelzen. „In kosmischen Maßstäben haben wir nur ein kurzes Zeitfenster, um ein solches Doppelsternsystem zu beobachten – und uns ist es gelungen“, sagt Koautorin Emma Bordier von der Universität zu Köln. Das Team schätzt, dass Doppelsterne in dieser Extremumgebung nur wenig länger als einige Millionen Jahre überdauern können.

Erklärung für die mysteriösen G-Objekte?

Dieser kurze Zyklus von staubverhüllter Bildung und Verschmelzen dieser Doppelsterne könnte auch andere rätselhafte Objekte am Schwarzen Loch der Milchstraße erklären. Denn im S-Cluster haben Astronomen auch einige „Klumpen“ entdeckt, die Gas- und Staubwolken ähneln, sich aber wie Sterne verhalten. Peißker und seine Kollegen vermuten nun, dass sich in diesen sogenannten G-Objekten ebenfalls junge Doppelsterne verbergen könnten, die kurz vor ihrer Verschmelzung stehen oder die bereits verschmolzen sind.

„D9 könnte ebenfalls bald verschmelzen und dann zu einem G-Objekt werden“, schreiben die Astronomen. „Dieses System bietet uns damit einen ersten Einblick in einen der möglichen Entwicklungswege der S-Sterne.“ Allerdings ist noch immer ungeklärt, wie sich D9 und die anderen Sterne im S-Cluster genau gebildet haben. (Nature Communications, 2024; doi: 10.1038/s41467-024-54748-3)

Quelle: European Southern Observatory (ESO), Nature Communications

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